Blog: Field Recording in Ecuador – Woche 1
Von Mitte Oktober bis Ende November bin ich in Ecuador. Mit Field Recordern ausgerüstet ist es mein Ziel, die Atmosphäre des südamerikanischen Landes einzufangen und zu konservieren. In dieser Blog-Serie teile ich in wöchentlichen Berichten meine Erlebnisse meines Field-Recording-Abenteuers in Ecuador.
Es ist der 15. Oktober 2025, 3:30 Uhr. Mein Wecker klingelt. Obwohl ich die ganze Nacht kaum ein Auge zubekommen habe, bin ich sofort hellwach und drücke den Alarm auf meinem Smartphone weg. Die Aufregung über die große Reise nach Ecuador versorgt mich mit Adrenalin. Wenngleich ich schon einige Reisen hinter mir habe, bin ich dennoch nervös. Habe ich alles dabei? Wo ist mein Reisepass? Ist mein Recording Equipment vollständig? Sollte ich doch noch mehr Batterien einpacken? – Meine Gedanken überschlagen sich. Am Tag zuvor habe ich alles gepackt, den Koffer und das Handgepäck gewogen und alles mehrmals geprüft. Trotzdem bin ich verunsichert. In nicht einmal Stunde geht es los zum Münchner Flughafen. Dann gibt es kein zurück mehr. Mit einem „wird schon passen“ versuche ich, mich zu beruhigen. Nach einem kleinen Frühstück und dem Zähneputzen verlasse ich eine gute dreiviertel Stunde nach dem Aufstehen meine Wohnung. Das Abenteuer beginnt…
Das perfekte Chaos
Für die Reise hatte ich mir einen Plan mit interessanten Orten für Field Recordings gemacht. Allerdings musste ich diesen aufgrund eines großen Streiks mit Straßenblockaden (el Paro) der indigenen Gemeinden in Ecuador kurzfristig ändern. Und so kam es, dass ich etwa 20 Stunden nach Antritt meines Abenteuers und der Ankunft in Ecuadors Hauptstadt Quito nicht wie geplant zu Freunden ins zwei Stunden entfernte Ibarra fuhr, sondern ein Taxi ins zehn Minuten entferne Tababela nahm. Dort bezog ich gegen 18 Uhr Ortszeit dann mein Zimmer und fiel nach den Strapazen des Tages erschöpft in mein Bett.
Der halbe Koffer voller Aufnahme-Equipment
Am nächsten Tag prüfte ich erstmal, ob mein Field Recording Equipment die Reise gut überstanden hatte – das war zum Glück auch der Fall. Von den 21 kg meines Koffers machte meine Aufnahme-Ausrüstung fast die Hälfte aus. Dabei habe ich:
- den Zoom H5 Studio mit Accessoire Pack, zusätzlich dem SSH-6e Stereo-Richtrohrmikrofon und BTA-1 Bluetooth-Adapter
- den Zoom H3-VR
- ein Kontakt-Mikrofon und D-Series+ Hydrophone von Jez Riley French
- ein Stativ mit Erweiterungen, um die Zoom Recorder und mein Smartphone zu befestigen
- eine Atom-Drohne von Potensic
- sowie weitere Accessoires wie Powerbanks, Gewindeadapter, MicroSD-Karten, Rucksack und Co.
An dieser Stelle möchte ich mich insbesondere bei Sound Service, dem deutschen Vertrieb von Zoom, für das Sponsoring des H5 Studio inklusive Accessoires und der Leihgabe des H3-VR bedanken. Und bei meinem lieben Freund, Mentor und Toningenieur David Merkl, der mir mit Rat und Tat zur Seite steht und sein Stativ sowie weitere Accessoires zur Verfügung gestellt hat. Zudem danke ich meinen Freunden in Ibarra, die mich stets bezüglich des Streiks auf dem Laufenden gehalten und mir wertvolle Tipps und Alternativen genannt haben.
Schweres Gewitter
In der Hoffnung, dass sich der Streik bald auflösen würde, blieb ich also erst einmal drei Nächte in Tababela. Tababela ist ein ruhiges kleines Örtchen – perfekt, um sich zu akklimatisieren. Und natürlich auch, um aufzunehmen. Während meines Aufenthalts dort gab es ein sehr schweres Gewitter mit heftigen Regenfällen: innerhalb weniger Minuten stand das kleine Gärtchen unter Wasser. Bei jedem Donner bebten die Türen meines Zimmers. Da ich mich glücklicherweise im Erdgeschoss befand und mein Fenster unter einem Vorsprung etwas geschützt war, stellte ich kurzerhand das Stativ auf und fing somit mein erstes Ereignis in Ecuador mit dem H5 Studio ein!
Ein Studiobesuch als Sightseeing
Da es in Tababela wenig zu sehen und zu tun gab, fuhr ich am Freitag, 17. Oktober, mit einem Taxi nach Quito. Dort traf ich mich mit César Mena, dem Betreiber des Semifusa Studio. César hatte ich bereits vor meiner Reise angeschrieben und auch via Videochat kennenlernen dürfen. Er präsentierte sich äußerst nett und hilfsbereit. Wir tauschten Nummern aus und ich freute mich riesig, dass er Zeit für mich fand und wir uns persönlich treffen konnten.
Er zeigte mir ein paar Sehenswürdigkeiten der Stadt und lud mich zu einem traditionellen ecuadorianischen Essen namens Encebollado ein. Das ist eine Fischsuppe mit eingelegten Zwiebeln, die auch hervorragend schmeckte! Nachdem es in Quito nachmittags oft regnet, fanden wir uns gegen 16 Uhr in seinem Studio ein. César führte mich herum und berichtete von der ecuadorianischen Welt der Musikproduktion.
Ich werde an dieser Stelle nicht genauer darauf eingehen, da ein detaillierter Studiobericht folgen wird.

Wie im Film
Nachdem sich der Streik am Samstag, 18. Oktober, noch immer nicht aufgelöst hatte (dieser dauerte zu diesem Zeitpunkt um die 20 Tage), zog ich in ein Hotel in Quito um. Im Contemporary Arts Center traf ich mich anschließend mit Jhonatan López von NoiseRoom UIO – auch ihn hatte ich vor meiner Reise kontaktiert. Wir unterhielten uns und gingen anschließend auf einen Kaffee und eine Quesadilla in eine kleine aber feine Bäckerei namens Quesadillas de San Juan.
Ich freute mich genauso, dass auch er sich Zeit für mich nahm. Wir unterhielten uns über Audio-Themen und auch er gab mir interessante Tipps zu Sehenswürdigkeiten und ecuadorianischen Bräuchen und Traditionen. Und dann erzählte er von einem kleinen Konzert in einem Kulturzentrum am selben Abend und lud mich dazu ein. Geile Sache!
Zugegeben: ich war etwas nervös. Und nicht etwa, weil mir Jhonatan fragwürdig erschien. Im Gegenteil. Aber auch er hatte mich davor gewarnt, nach Einbruch der Dunkelheit allein in Quito durch die Straßen zu ziehen. Nun hatte ich also die Möglichkeit, mit einer eigentlich fremden Person an einen fremden Ort zu gehen – mit massivem Jetlag in einem fremden Land. Ich entschied, der Einladung zu folgen. Und das dürfte eine der besten Entscheidungen meines Lebens gewesen sein!
Wir kamen gegen 20:30 Uhr am Veranstaltungsort an. Eigentlich war das einfach ein Haus, umgeben von einer Mauer. Der Eintritt kostete fünf US-Dollar. Überraschenderweise waren wir die ersten, was auch erstmal so blieb. Das machte aber nichts, denn unterwegs hatte Jhonatan noch eine Freundin eingesammelt und wir unterhielten uns entspannt bei einem Bier. Gegen 22 Uhr kamen nach und nach mehr Leute und bald performte dann auch der erste Rapper. Auch wenn ich schwer mit der Müdigkeit zu kämpfen hatte, kam ich mir vor, wie in einem Film. Ein Underground-Event wie aus dem Bilderbuch. Es gab zwei DJs und eine kleine Bühne, auf der die Rapper und Rapperinnen performten. Das Publikum feierte ausgelassen und interagierte mit den Künstlern.
Das klingt jetzt soweit „normal“. Es war aber die gesamte Atmosphäre, die es für mich besonders machte. Die Gerüche. Die Geschmäcker. Die Art, wie das Publikum feierte und tanzte. Die Interaktionen der Leute miteinander. Es ist schwer zu beschreiben, man muss es erleben. Für mich fühlte es sich an, wie die Partys in den ersten beiden Teilen von Fast and the Furious.
Ich bin nach wie vor sehr froh und dankbar, diese Chance bekommen und genutzt zu haben! Um 23:30 Uhr nahm ich allerdings wieder ein Taxi zurück zum Hotel, da mich die Müdigkeit und Erschöpfung der vergangenen Tage und Ereignisse übermannte. Ich wäre aber sehr gerne noch länger geblieben.
Field Recording auf über 4000 Meter Höhe
Am Sonntag beschloss ich, mit meinem Wanderrucksack und sämtlichem Recording Equipment den Pichincha Vulkan zu erklimmen. Ich nahm ein Taxi zur Seilbahn und fuhr mit meinem etwa 12 kg schweren Rucksack auf etwa 4000 Meter Höhe. Dort ging die Tour dann zu Fuß weiter. Leider hatte ich die Strecke und durchaus auch den Höhenunterschied unterschätzt. Da ich auch kein trainierter Wanderer bin, machten mir die steilen Aufstiege mit dem Gepäck ordentlich zu schaffen. Die Aussicht war allerdings der Hammer und entlohnte die Mühe!
Auf der Hälfte der Strecke zum Vulkan musste ich dann abbrechen. Das Atmen viel mir zunehmend schwerer. Der konstante Schlafmangel der vergangenen Woche tat sein übriges und meine Energie schwand zunehmend schneller. Bei Station vier von acht beschloss ich, dass es keinen Sinn mehr machte, mich noch weiter zu quälen. An diesem Punkt befand ich mich auf gut 4300 Metern Höhe.

Da sehr viele Wanderer an diesem Tag unterwegs waren, suchte ich abgelegene und windgeschützte Plätze, um mein Recording-Setup aufzustellen. Zum Zeitpunkt dieses Beitrags habe ich die Aufnahmen noch nicht angehört, vermute aber leider, dass sie nutzlos sind. Erstens, weil sich der Schall der Wanderer weit trug. Zweitens, weil immer wieder trotz der Abgelegenheit Menschen vorbei kamen und somit auch die Tiere verscheuchten. Man wird sehen. Nichtsdestotrotz war es eine coole Erfahrung!
Meeresrauschen
Am Dienstag, 21. Oktober, hatte ich die Möglichkeit, mit einem privaten Fahrer und zwei weiteren Passanten nach Ibarra zu reisen – auf Umwegen, versteht sich, denn der Streik hielt weiter an. Statt den üblichen zwei Stunden sollte die Fahrt zwölf dauern. Aber ich hatte kaum eine andere Wahl. Überraschenderweise wurde mir am Abend zuvor vom Fahrer erklärt, das wir in Las Pénas übernachten würden. Das ist ein kleines ruhiges Dörfchen an der Pazifikküste. Das kam mir auch gelegen, denn ich hatte ohnehin geplant, dort aufzunehmen. Leider kamen wir aufgrund eines Staus erst gegen 17:30 Uhr, nach etwa neun Stunden fahrt, dort an. Ich rannte zwar sofort mit dem H3-VR zum Strand, es war aber sehr windig und ich hatte nur knapp 30 Minuten, bevor es dunkel wurde.
Am nächsten Morgen stand ich um 6 Uhr auf, um vor der Weiterfahrt um 8:30 Uhr vielleicht doch noch ein paar Ambiences aufnehmen zu können. Und ich wurde belohnt. Es ging nur ein laues Lüftchen und in den Strandcafes hatte es um diese Uhrzeit kaum Gäste. Perfekt! Zuerst flog ich mit meiner Drohne am Strand des sehr schwülen und heißen Örtchens umher, um ein paar coole Luftaufnahmen machen zu können. Anschließend baute ich dann wieder die Recorder auf und lauschte dem Rauschen des Meeres und der Wellen.
So cool auch dieses Erlebnis war, bin ich froh, dass wir bald weiter sind. Es ist wirklich drückend heiß dort bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Ohne Klimaanlage nicht auszuhalten.

Es bleibt spannend!
Nun bin ich endlich bei meinen Freunden in Ibarra! Der Streik soll wohl diese Woche beendet und die Straßenblockaden aufgehoben werden. Ob dem wirklich so ist, wird sich zeigen. Ich freue mich jedenfalls hier zu sein und auf die Field-Recording-Abenteuer, die noch kommen!
Nächste Woche werde ich dann wieder berichten! 🙂
