Field Recording: Signature Sound durch einzigartige Aufnahmen

Field Recording: Signature Sound durch einzigartige Aufnahmen
Die Welt teilhaben lassen mit:

Field Recordings eignen sich perfekt, um bestehende Sounds anzureichern oder gänzlich neue zu erschaffen – und das ist gar nicht so schwer. In diesem Tutorial bekommst du eine Übersicht über die Aufnahme und Inspirationen zum Entwickeln deines Signature Sounds.

Splice, Illements, FL Cloud – es gibt zig Plattformen, über die du Samples beziehen kannst. Dienste wie diese sind bequem und eröffnen den Zugang zu tausenden Sounds. Aber sie haben auch einen Nachteil: viele andere Producer verwenden wahrscheinlich die gleichen Samples. Was also tun, um aus dem Einheitsbrei herauszustechen? Eine Option ist Processing; durch EQ, Distortion und Co. den Klangcharakter verändern. Eine andere und wesentlich vielseitigere Option sind der Einsatz von Field Recordings.

Was Field Recordings überhaupt sind, was du dafür brauchst und wie du sie nutzt, um individuelle Sounds und eine eigene Klangsignatur zu kreieren, verraten dir die nachfolgenden Tipps und Tricks.

Was ist Field Recording in der Musikproduktion?

Wikipedia beschreibt Field Recording wie folgt: „Als Field Recording bezeichnet man die Aufzeichnung von nicht eigens erzeugten Klängen, natürlichen Schallereignissen oder vorgefundener Klanglandschaften außerhalb eines Tonstudios. Im engeren Sinne sind hier insbesondere Aufnahmen von Natur- beziehungsweise Umgebungsgeräuschen gemeint, die mithilfe portabler Aufnahmegeräte realisiert werden.“

Diese Definition fasst es eigentlich perfekt zusammen. Allerdings würde ich durchaus auch eigens erzeugte Klänge im Sinne organischer Geräusche einschließen. Als Beispiel: Du schlägst mit einem Ast gegen einen Stamm, wirfst einen Stein ins Wasser oder klopfst Zuhause mit einer Gabel gegen eine Glasflasche. Mein kostenloses Household Percussions Free Sample-Pack beinhaltet beispielsweise auch Sounds, die von alltagsüblichen Gegenständen stammen.

Daher möchte ich den Begriff „Field Recording“ für diesen Beitrag entsprechend ausweiten – auch wenn uns die Natur eine riesige Klangpalette bietet, die du nicht missen solltest.

Mann steht mit einem Aufnahmegerät an einem öffentlichen Ort
Eine gute Vorbereitung ist essentiell für erfolgreiche Field Recordings. Foto: Medialab Katowice/Flickr

Welches Equipment wird für Field Recordings benötigt?

Für mobile Aufnahmen benötigst du einen Recorder. Für den Einstieg und erste Experimente kannst du dein Smartphone benutzen – im Optimalfall mit einem ansteckbaren Mikrofon.
Wenn du das Thema allerdings professioneller angehen möchtest, empfehlen sich die Handy Recorder von Zoom oder Tascam. Sie sind klein, handlich und bieten teilweise verschiedene Mikrofone, die einfach über ein Stecksystem getauscht werden können. Einige Modelle haben zusätzliche XLR-Eingänge, sodass du sogar externe Mikros anschließen kannst. Ich habe schon einige Geräte der Zoom H-Serie im Einsatz gehabt und bin immer wieder von der Klangqualität erstaunt. Für Mittelklassegeräte kann ich sie nur wärmstens empfehlen. Übrigens gibt es von Zoom und Sound Devices auch größere, dedizierte Recorder mit mehreren Mikrofoneingängen. Diese eigenen sich dann, wenn du mehrere Mikrofonpositionen gleichzeitig aufnehmen möchtest, was insbesondere für Surround- und immersive Produktionen interessant ist.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es auch dedizierte Surround- und 3D-Mikrofone gibt, etwa das Audio-Technica BP3600, das Rode 360° Ambisonic oder das Sennheiser Ambeo VR Mic.

Neben Recordern und gegebenenfalls Mikrofonen musst du vor allem genügen Speichermedien, in der Regel (Micro)SD-Karten, und Batterien, Powerbanks oder Akkus vorrätig haben. Ein Windschutz und geschlossene Kopfhörer sind ebenfalls empfehlenswert. Das wars dann aber auch schon!

Empfehlungen für Field Recorder

  • Zoom H5 (219 Euro)
  • Tascam Portacapture (479 Euro)
  • Zoom F6 (539 Euro)
  • Sound Devices MixPre-6 II (1419 Euro)

Aufnahmequalität

Bei der Wahl eines Recorders solltest du auch auf dessen Aufnahmequalität achten. Prinzipiell solltest du generell immer in der bestmöglichen Qualität aufnehmen. Ich würde dir mindestens 24 Bit und 48 kHz empfehlen. Optimal wären 32 Bit Float und 96 kHz. Vor allem durch den immensen Headroom der 32-Bit-Float-Technologie ist es praktisch unmöglich, Signale zu übersteuern. Das ist aber kein Grund, nicht richtig zu pegeln. Es dient mehr als Sicherheitsnetz, um Signale wieder herstellen zu können, wenn es doch mal zu unerwarteten Peaks kommt.

Field Recording: Gute Vorbereitung ist unverzichtbar

Bevor du dich ans tatsächliche Field Recording machst, überlege, was dein Ziel ist. Darauf basierend ergibt sich dann der Rest. Schauen wir uns das Ganze mal anhand eines Beispiels an:

Ziel: Unheimliche, Horror-artige Sounds für Musik und Film
Mögliche Klangquellen: Wald, Lost Places, mittelalterliche Gebäude (Kirchen, Burgen, …), Höhlen
Tag/Uhrzeit: Mittwoch bis Freitag/abends, nachts, früher morgen. Unbedingt den Wetterbericht checken!
Equipment: Ersatzbatterien/-akkus, Windschutz, Aufnahmegerät (ggf. weitere Mikros), Kopfhörer, Ersatzspeicherkarte, Taschenlampe, Snacks und Getränke, eventuell Zelt und Schlafsack, Erste-Hilfe-Kasten
Genehmigungen erforderlich: Für Gebäude
Aufnahme-Ideen: Atmo, Eulen/Uhus, Schritte, Impulse close & far (z.B. mit einem Ast gegen einen Stamm klopfen, Knarzen von Türen)

>>> GRATIS DOWNLOAD: FIELD RECORDING CHECKLISTE <<<

Im weiteren Verlauf der Planung machst du nach Festlegung der oben aufgeführten Punkte passende Orte ausfindig und holst gegebenenfalls Genehmigungen ein. Anschließend gehts dann an das Ausmachen einer geeigneten Route (falls du mehrere Orte besuchen möchtest) und eventuellen Übernachtungsmöglichkeiten. Wenn du das organisatorische erledigt hast, kannst du dich in dein Recording-Abenteuer stürzen!

Schwarzer Mixing-Controller

Post Production: Aufnahmen aufbereiten

Die eigentliche Arbeit beginnt mit der Aufbereitung deiner Aufnahmen. Das bedeutet zuerst einmal, alle Audiodateien durchzuhören. Währenddessen kannst du gleich entsprechende Samples erstellen. Dafür schneidest du einfach die Stellen heraus, setzt Fades am Anfang und Ende und exportierst den Klangschnipsel. Natürlich gilt auch hier wieder, diesen klar und deutlich zu beschriften.

Diesen Prozess wiederholst du, bis du deine gesamten Aufnahmen durch hast.

Eventuell musst du einige Aufnahmen mit Restaurations-Tools wie iZotope RX* oder Steinberg Spectralayers* säubern – zum Beispiel vom Rauschen des Windes oder von Klicks. Die Grundlagen dafür habe ich im Tutorial zur Sprachbearbeitung aufgeführt, weswegen ich hier nicht erneut darauf eingehe.

Einzigartige Sounds auf Field Recordings designen

Nachdem du deine Samples extrahiert und organisiert hast, solltest du einen guten Überblick über deinen Klangkatalog haben. Beim Verwenden der Sounds in deinen Produktionen kannst du deiner Kreativität freien Lauf lassen.

Nachfolgend findest du ein paar Anregungen inklusive Klangbeispiele.

Drums & Percussion

Die vermutlich offensichtlichste Anwendung sind Drums und Percussions. Entweder du schneidest und filterst Klanganteile für ein Layering raus oder designst komplett neue Sounds. Oftmals ist es so, dass die Geräusche und Klänge bereits eine gewisse Richtung vorgeben. Zum Beispiel das Brechen eines Asts könnte als Transient für eine Snare dienen. Dafür schneidest du einen kurzen Schnipsel mit dem „Klick“ aus und filterst und pitchst diesen so, dass er zu deiner Snare passt.

Tipp: Wirf immer wieder einen Blick auf ein Oszilloskop, um Phasenprobleme rechtzeitig zu erkennen.

Wenn du beispielsweise mit einem Stock gegen einen Baumstamm geklopft hast, könnte das ein Rimshot werden. Ob das Sample eigenständig funktioniert oder Layer vertragen kann, musst du von Fall zu Fall entscheiden. Aber wenn du dich an dieser Vorgehensweise orientierst und die Aufnahmen in eine Richtung formst, die sie bereits andeuten, wirst du einzigartige und gut klingende Samples haben.

Kollektion von Plug-in-Fenstern für die Bearbeitung von Field Recordings
Aus einem Holzklotz wird ein Rimshot

Als Beispiel für einen Drumsound dient mir als Basis das Geräusch eines Holzklotzes. Diesen habe ich ganz einfach auf einen Holzboden fallen lassen. Durch den Einsatz eines De-Verbs konnte ich Störgeräusche entfernt und den Tail kürzen. Ansonsten kamen nur EQs, Kompressoren, eine Tape-Emulation und ein Reverb zum Einsatz.
Das Resultat ist ein Rimshot, der gleichzeitig eindrucksvoll beweist, was man selbst mit Brot-und-Butter-Effekten anstellen kann:

Holzklotz original
Rimshot nach der Bearbeitung

Klangvielfalt durch Synthese

Richtig spannend wirds, wenn du deine Aufnahmen beziehungsweise Klangschnipsel mit einem Synthesizer manipulierst. Probiere verschiedene Formen der Synthese aus, etwa Spektral oder Granular. Je nach Synthesizer kannst du völlig neue Klänge erschaffen und sogar verschiedene Synthesearten kombinieren.

Field Recording Serum Synth-Engines
Serum eignet sich durch die Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Synthesearten perfekt für Klangexperimente.

Ich habe als Beispiel Serum 2 genutzt, der eben die Kombination verschiedener Syntheseformen ermöglicht. Das Quellsignal war eine kurze Sequenz von Vogelzwitschern, das ich aus früheren Field Recordings extrahiert und vorher gesäubert habe. Mein Sample habe ich dann jeweils in eine Granular- und eine Spectral-Engine gepackt. Und dann wurde experimentiert.

Field Recording Serum Modulationsmatrix

Durch das Erzeugen und verteilen der Grains eignet sich diese Art der Synthese vor allem für flächige Klänge und Klanglandschaften, oder für Soundeffekte. Durch das Setzen von Loops, einer Portion Zufall in Bezug auf Länge und Panning der Grains sowie diversen Modulationen anhand der Hüllkurvengeneratoren und LFOs habe ich dann einen verschwommenen, in der Tonhöhe variierenden Loop des Vogelgezwitscherns kreiert. Diesen habe ich anschließend durch die internen Filter und Effektprozessoren verfeinert. Das Ergebnis klingt wie eine Art „verfluchte“ Vögel – vergleichbar mit Soundeffekten aus Horrorfilmen. Entfernt erinnern einzelne Parts sogar an Hundegebell.

Vogelgezwitscher original
Vogelgezwitscher nach der Bearbeitung mit Serum
Verschiedene Tools ausprobieren
Dawesome Love Effekt für Field Recordings

Auch wenn ich mit meinem Resultat in Serum zufrieden war, wollte ich noch weiter experimentieren und etwas kreieren, das auch im musikalischen Kontext funktioniert. Dafür habe ich den gleichen Zwitscher-Loop in den Multi-Effekt „Love“ geschickt. Das coole an Love ist, dass es auf einer Granular-Engine basiert und man dadurch die Möglichkeit hat, das Eingangssignal zu resynthetisieren.

Zwar sind die Manipulationsmöglichkeiten im Vergleich zu Serum 2 eingeschränkt, das muss aber nicht zwingend negativ sein. Im Gegenteil: Während ich bestimmt an die zwei Stunden an meinem Patch im Synthie geschraubt habe, stand ich mit Love nach etwa 30 Minuten mit einem guten Ergebnis da – und zwar einem Loop der ähnlich einem Windspiel aus Metall klingt.

Diesen kann man zum Beispiel slicen und für Percussion nutzen. Oder man stretcht den Loop als melodische Textur. Ersteres kann dann (mit Hilfe von Neon Glow von W.A. Production und Sidechaining) so klingen:

Vogelgezwitscher nach der Bearbeitung mit Love
Vogelgezwitscher nach der Bearbeitung mit Love – Sidechained

Letzten Endes möchte ich dich damit einfach animieren und inspirieren, mit verschiedenen Tools zu experimentieren. Mittlerweile steht uns eine riesige Auswahl an kreativen Prozessoren zur Verfügung, die die verrücktesten Klangmanipulationen erlauben.

Eine Person steht mit einem Handheld-Recorder an einem Zaun

Signature Sound mit Field Recordings: Fazit

Field Recordings, egal ob per Definition oder nicht, sind eine unendliche Quelle an Inspiration und Kreativität – und gleichzeitig eine gute Möglichkeit, deine Produktionen mit einzigartigen Sounds zu veredeln. Mit der richtigen Planung, einem Aufnahmegerät und Experimentierfreude kannst du dir ein einzigartiges Klangarchiv aufbauen und daraus immer wieder neue Elemente für deine Produktionen ziehen. So entsteht Schritt für Schritt dein persönlicher Signature Sound – authentisch, individuell und jenseits der üblichen Sample-Pakete.

Teile deine Ideen und Erfahrungen gerne unten in den Kommentaren mit uns!

* Die mit einem Stern (*) gekennzeichneten Links sind Werbelinks (affiliate). Wenn Du etwas darüber kaufst, bekomme ich eine kleine Provision, die zum Erhalt von SoundChills beiträgt. Für dich entstehen KEINE Mehr- oder Zusatzkosten.

Titelbild: Carlos Santos/Unsplash

Die Welt teilhaben lassen mit:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert