Sounddesign mit Delays: So baust du kreative Effekte

Delays kennt man als Werkzeug für Tiefenstaffelungen und Dopplungen. Doch sie können weit mehr als das. Mit den richtigen Tools und etwas Kreativität lassen sich spannende Sounds designen. Lasst die Spiele beginnen!
Das Delay ist eines der meistgenutzten und vielseitigsten Effekte in der Musik- und Postproduktion. Für Räumlichkeit und Tiefe, Dopplungen sowie gezielte Repetitionen gehört es zu den Brot-und-Butter-Werkzeugen. Aber auch dieser Effekt blieb nicht vom Fortschritt der Technologie verschont, sodass wir heute eine Palette an vielseitigen Echomaschinen zur Auswahl haben – von Klassikern bis hin zu experimentellen.
Vor allem letztere eignen sich hervorragend für Sounddesign. Die unscheinbaren Effekte bieten oft mehrerer Lines, verschiedene Routings, Modulationen oder anderen Modifikationen, mit denen sich allerhand anstellen lässt. Daher werden wir uns eine Selektion kreativer Delay-Effekte ansehen und mit ihnen in die Tiefen der Klangmanipulation eintauchen. Die Designs kannst du dir später als Presets downloaden.
Und damit wünsche ich viel Spaß beim Lesen, Hören, Nachmachen und selbst experimentieren!

Sounddesign mit Delays: Basiswissen & Delay-Zeiten Cheatsheet
Bevor wir uns in die Klanggestaltung stürzen, ist es wichtig, zu verstehen, was ein Echo ausmacht.
Wir nehmen ein Echo erst wahr, wenn die Laufzeit dessen Reflexion über 20 ms beträgt. Entsprechend muss das Hindernis beziehungsweise die erste Reflexionsfläche mindestens 34 vom Hörer entfernt sein.
Delay-Zeiten von weniger als 30 ms verschmelzen mit dem Nachhall eines Reverbs und sind daher nicht mehr für das Ohr zu unterscheiden.
Haas-Effekt
Das Wissen über die Ortung von Schallquellen basiert auf dem Haas-Effekt, benannt nach Helmut Haas. In seinen Untersuchungen stellte er fest, dass wir Schallquellen aufgrund der zuerst eintreffenden Schallfront lokalisieren – Das Gesetz der ersten Wellenfront. Wie erwähnt, nehmen wir Verzögerungszeiten von weniger als 30 ms als ein und dieselbe Quelle wahr. Dabei kann der Schallpegel des verzögerten Signals bis zu 10 dB lauter am Ohr eintreffen, ohne dass eine Kanaltrennung oder Richtungsänderung wahrgenommen wird.
Im Tonbereich berechnen wir Delay-Zeiten anhand dieser Formel:

Daraus ergibt sich die Echozeit einer Viertelnote, aus der sich wiederum alle anderen Notenwerte berechnen lassen.
Download: Delay-Cheetsheet
Damit du nicht jedes Mal aufs Neue Delay-Zeiten berechnen musst, habe ich sie in einem Sheet zusammengefasst. Dieses kannst du bequem online abrufen oder herunterladen, um es auch offline immer Griffbereit zu haben.
Sounddesign mit Delays: Verschiedene Delay-Typen
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen vier Arten von Delays:
1. Magnetisches Tape-Delay
Das Tape-Delay verwendet ein magnetisches Tonband, um das Audiosignal aufzuzeichnen und nach einer einstellbaren Zeit wiederzugeben. Die Bandgeschwindigkeit und die Zeit, die zwischen der Aufnahme und Wiedergabe des Signals verging, bestimmte die Verzögerung. Durch die große Beliebtheit in den Siebzigerjahren wurden bald dedizierte Tape-Delay-Maschinen gebaut. Diese boten dann unter anderem spezifischere Steuerungsmöglichkeiten wie das Anpassen der Geschwindigkeit.
Tape-Delays erzeugen oft ein warmes, gesättigtes Echo mit den charakteristischem Tonhöhenschwankungen eines Bandes.
2. Analoges Delay (BBD-Delay)
Das Bucket-Brigade-Device (BBD)-Delay ist ein analoges Echo, das von den von den Philips Research Laboratories entwickelt wurde. Das Audiosignal wurde hier durch eine Kette von Kondensatoren geleitet und dadurch verzögert. Klanglich sind sie weniger gesättigt als ein Tape-Delay. Die Kondensatoren verleihen ihnen dennoch eine eigene Färbung, die aufgrund der Filterung von Störanteilen etwas düster klingt.
Außerdem waren BBD-Delays wesentlich platzsparender, da sie Chip-basiert arbeiten und dadurch auch schnell als Gitarren-Effektpedale beliebt wurden.
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3. Digitales Delay
Digitale Delays basieren auf digitalen Speicherchips, die das Audiosignal in Echtzeit aufzeichnen und nach einer vom Anwender eingestellten Verzögerungszeit wiedergeben. Ursprünglich hatten auch sie eine gewisse Klangfärbung, die beispielsweise durch geringe Bit-Raten und Artefakte verursacht wurde. Mittlerweile ermöglichen sie aber präzise und saubere Echos ohne jegliche Färbung.
4. Granular-Delay
Granulare Delays, auch Grain Delays genannt, sind ebenfalls rein digitale Echos. Im Prinzip samplet ein entsprechendes Plug-in das eingehende Audiosignal, teilt es in kleine Teilchen (Grain = Korn) und gibt diese nach einer einstellbaren Verzögerungszeit wieder. Dabei lassen sich in der Regel mitunter die Größe der Grains und Pitch Shift.
Die Größe eines Korns wird in Hertz definiert und kann mit der folgenden Formel berechnet werden: (BPM / 60) * Frequenz (Hz).
Darüber würde ich mir allerdings wenig Gedanken machen. Wichtig zu wissen ist, dass hohe Frequenzen kleine Grains bedeuten und niedrige Frequenzen große Grains.
Grundlegende Delay-Techniken
Bevor wir uns an kreativere Herangehensweisen wagen, findest du hier eine kurze Übersicht inklusive Klangbeispiele grundlegender Delay-Techniken:
1. Dopplungseffekt

Der Doppler-Effekt wird oft für Gitarren, Vocals und Keyboards verwendet. Ziel ist es, das Signal anzudicken und räumlicher zu gestalten. Das funktioniert gut, wenn man eine Mono-Quelle hat, die aber breit und fett klingen soll.
Typischerweise kommt hierfür ein Dual-Delay mit kurze Zeiten von 1/8, 1/16 oder 1/32 zum Einsatz. Die Zeiten können unterschiedlich für die beiden Delays sein und mit Feedback angereichert werden.
Und so hört sich das Ganze auf einer Gitarre mit einem Dual-Delay (links = 1/16, recht = 1/8) an:
2. Ping-Pong-Delay

Beim Ping-Pong-Delay springen die Wiederholungen im Klangfeld hin und her, bei stereo also von links nach rechts. Die Stärke beziehungsweise Häufigkeit wird via Feedback gesteuert. Weniger ist hier oft mehr. Mit Ping-Pongs lassen sich gut Akzente setzen, beispielsweise um einzelnen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. Und das kann dann so klingen:
3. Slapback-Delay

Das Slapback-Delay ist eine Technik, deren Wurzeln bis in die 1950er Jahre zurück reichen. Dabei handelt es sich quasi um ein „trockenes“ Echo ohne Feedback. Also nur um einen einmaligen Impuls. Das Resultat ist eine räumlicher Eindruck, der statt eines Reverbs oder in Kombination verwendet werden kann. Diese Technik ist universell einsetzbar und klingt wie folgt:

Sicherlich werden sich an dieser Stelle einige Fragen, was der unterschied zum Doppler-Effekt ist. Die Antwort ist: Im Zeitversatz.
Doppler-Effekte nutzen kurze bis mittlere Delay-Zeiten, Slapbacks mittlere bis lange. Letztere bringen somit die Attack, beispielsweise den Anschlag eines Pianos, mehr zum Vorschein. Beim Doppeln wird der Klang außerdem oftmals zusätzlich mit Feedback angedickt.
4. Multi-Tap-Delay
Multi-Tap-Delays beschreiben Echo-Maschinen mit mehreren Delay-Lines. Einfach gesagt beheimatet ein Plug-in zum Beispiel vier voneinander unabhängige Delays. Dadurch können komplexe Echos gebaut werden, die für Bewegung und Abwechslung sorgen. In Kombination mit Filtern und anderen Effektprozessoren werden sie oft für die Kreation von Klanglandschaften beziehungsweise Pad-artigen Fundamenten genutzt.

Hier ein Beispiel:
Die Technik basiert auf dem Dub-Delay – dem Vorgänger, wenn man so will. Dafür hat man früher ein einziges Delay (mit nur einer Line) mit hohem Feedback genutzt. Dieses Feedback wurde geloopt und über Zeit manipuliert.
Sounddesign mit Delays: Kreativ werden
So, nun wollen wir uns aber den kreativen Möglichkeiten von Delays widmen. Es soll dabei nicht um „Rezepte“ gehen, sondern vielmehr um freies experimentieren, um verschiedene Herangehensweisen aufzuzeigen, um neue Ideen und Inspiration zu entfachen.
Dafür verwende ich Plug-ins, die auch entsprechende Mittel an Bord haben. Zum Einsatz kommen Sigmund von D16*, Sandman Pro von Unfiltered Audio, Comeback Kid von Baby Audio* und Motion Dimension von Excite Audio*. Dabei habe ich mich auf auf die Funktionen der Plug-ins beschränkt, ohne weitere Bearbeitung durch beispielsweise Filter oder Multi-Effekte.
Die Einstellungen aller gezeigten Effekte kannst du als Presets über diesen Link kostenlos herunterladen.
Baby Audio Comeback Kid – Quirky Strudel
Beginnen wir mit einem einfachen Strudel-Effekt. Dafür habe ich Comeback Kid gewählt. Das Plug-in kommt mit gut klingenden Modulationen, die einfach einzustellen sind. Als Ausgangspunkt habe ich einen trockenen Lead-Sound gewählt, der durch den typischen Resonanz-Sweep-artigen Sound angereichert und unterlegt wird.
D16 Sigmund – Enter the Portal
Für einen tiefen, einhüllenden Effekt habe ich die vier Delay-Lines von Sigmund genutzt. Der Vorteil dieses Plug-ins ist nicht nur, vier voneinander unabhängige Echos kreieren zu können, sondern auch das flexible Routing. Für den Portal-Effekt bin ich zwar beim standardmäßigen seriellen Signalfluss geblieben, aber damit zu experimentieren lohnt sich.
D16 Sigmund – Sphyres
Sphyres ist ein gutes Beispiel dafür, dass Delays langweilige statische Sounds zu etwas völlig neuem und spannenden formen können. Die Quelle ist nämlich nur eine unspektakuläre Sägezahn-Welle, die ich stumpf mit dem 3osc-Synth von FL Studio generiert habe. Nichts besonderes also.
Gefällt dir der Beitrag? Dann freue ich mich über deine Unterstützung!Der finale Sound hingegen ist eine sphärische Fläche mit melancholischem und etwas düsterem/traurigen Charakter. Dafür hat sich das teils serielle, teils parallele Routing hervorragend geeignet: Lines 1 und 3 bekommen parallel das Direktsignal. Lines 2 und 4 werden dann von dem Ausgangssignal von Lines 1 beziehungsweise 3 beschickt. Das Resultat ist eine Kombination aus allen vier Ausgangssignalen der Lines.
Excite Audio Motion Dimension – Blurry Memories
Mit Motion Dimension begeben wir uns nun schon in wesentlich experimentellere Gefielde. Durch das Anziehen oder Abstoßen der Wiederholungen in Kombination einer Automation lassen sich coole dynamische Effekte kreieren. In Kombination mit Reverse und Reverb kann dem Ganzen ein Feinschliff verpasst werden.
Den Reverb habe ich bei diesem Beispiel übrigens nicht im herkömmlichen Sinne eines Raumklangs eingesetzt, sondern zum Andicken der Tiefmitten. Deshalb ist er auch stark gefiltert – Und, um seine Streuung in die Höhen zu vermeiden, um die Delays nicht zu verwaschen.
Unfiltered Audio Sandman Pro – Glitchtructor
Bisher haben wir uns mit melodischem Klangmaterial beschäftigt. Aber auch rhythmische Sounds wie ein Drum-Loop können manipuliert werden. In diesem Beispiel geben wir den Drums einen ordentlichen Touch Lo-Fi- und Tape-Feeling mit.
Für dieses und alle nachfolgenden Sounddesigns kommt Sandman Pro zum Einsatz. Die internen Modulatoren und vielseitigen Delay-Modes bieten eine riesige Spielwiese, weshalb dieses Plug-in zu meinen absoluten Favoriten gehört.
Unfiltered Audio Sandman Pro – Reverse Stutter
Für den Reverse-Stutter-Effekt dienen uns Akkorde, gespielt von einem Klavier, als Ausgangspunkt. Wie im Video gut zu sehen und zu hören ist, automatisieren wir die Sleep- und und Reverse-Funktionen. Dadurch bleibt der Sound interessant, weil es nicht ein statisches Reverse ist, sondern eher eine Nuance, die das Echo ergänzt. Und das wiederum bekommt durch Sleep einen holprigen Flair.
Unfiltered Audio Sandman Pro – Reverse Tap Pad
Zu guter Letzt basteln wir noch eine Pad-artige Klangbasis mit dem Reverse-Mode. Dieser Sound ist vor allem spannend, weil er das Dry-Signal anfangs stark durchlässt und anschließend einen neuen Klang formt. Die Automation des Mix-Reglers fungiert im Prinzip wie ein Ducking.
Das Decay des Delays ist für diesen Fall recht kurz gehalten. Somit werden neu angeschlagene Akkorde nicht zu sehr verwaschen, was ansonsten den Sinn des Duckings etwas relativieren würde.
Sounddesign mit Delays: Abschluss
Ich hoffe, dass ich dich mit meinen Tipps und Tricks zum Sounddesign mit Delays inspiriert konnte. In diesem Beitrag sollte es nicht darum gehen, feste Wege oder Vorgehensweisen aufzuzeigen. Vielmehr soll er dazu einladen, über den Tellerrand hinauszuschauen und auch mal unkonventionelle Ideen auszuprobieren. Uns stehen heutzutage so viele Möglichkeiten offen, dass sie manchmal überwältigend wirken – oder wir im Alltagsstress schlichtweg keine Zeit haben, uns damit auseinander zu setzen.
Umso wichtiger ist es, verschiedene Möglichkeiten zu kennen, um die beste für die jeweilige Situation schnell und zielsicher wählen zu können.
Und damit wünsche ich dir viel Spaß beim weiteren Experimentieren! Teile deine Kreationen gerne in den Kommentaren – ich bin gespannt, was ihr euch einfallen lasst 🙂
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Fotos: Ingo Schulz/Unsplash, Screenshots