Zynaptiq Morph 3 Pro Test: Schmelztiegel der Sounds

Zynaptiq haben ihrem Audio-Schmelzofen ein fettes Update verpasst: Morph 3 Pro kommt mit neuen Algorithmen, überarbeiteter Oberfläche und einem Modeler mit eigenem Sample-Katalog. Grund genug, sich das Sounddesign-Tool in einem Test genauer anzusehen!
Mit Zynaptiq hatte ich bisher wenig zu tun. Zwar habe ich schon oft von deren Produkten gehört, insbesondere durch die Youtube-Tutorials des Künstlers „Virtual Riot“, aber ein Test hat sich nie ergeben. Als die Hannoveraner vergangenes Jahr Orange Vocoder IV veröffentlichten, war ich schon kurz davor, mir die Demo zu schnappen. Doch es sollte irgendwie nicht sein.
Auf der diesjährigen Superbooth habe ich mir aber endlich mal die Zeit genommen, mir die Produkte zeigen zu lassen. Und ich war ziemlich beeindruckt. Nicht zuletzt wegen des neuen Morph 3 Pro – ein virtueller Schmelztiegel, der zwei Audiosignale auf verschiedene Arten miteinander verbindet.
Bis dato war mir Morph völlig unbekannt. Also habe ich mal nachgeforscht, wann Version 2 eigentlich veröffentlicht wurde. Das war vor etwa neun Jahren. Hm… Wenn das schon so lange her ist, seit wann gibt es das Plug-in dann wohl bereits?
Die dritte in 20 Jahren
Die Informationslage zum Ursprung von Morph ist recht dünn, aber umso interessanter: Morph wurde als Plug-in erstmals vermutlich im Sommer 2003 veröffentlicht. Diese Vermutung basiert auf einer News-Meldung von Macworld sowie auf einem Interview mit Stephan Bernsee im Blog von Zynaptiq. Bernsee war der Gründer von Prosoniq und Enwickler von Morph. Das Unternehmen wurde 2013 von Zynaptiq gekauft.
Interessanterweise erfährt man in erwähntem Interview, dass das Plug-in erst nach der Veröffentlichung des Hartman Neuron entstand. Morphing war nämlich eine der Funktionen des Hardware-Synthesizers. Auf Details dazu verzichte ich an dieser Stelle.
Der Grundstein für Morph war also schon Jahre vor der Veröffentlichung als Plug-in gelegt worden. Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellt sich sogar heraus, dass der entsprechende Algorithmus von Bernsee erstmals auf einem Atari ST entwickelt wurde. Der kam 1985 raus! Vor fast 40 Jahren!
Auch wenn ich keine genauen Jahreszahlen recherchieren konnte, fand ich die Geschichte trotzdem spannend. Einige der heutigen Tools von Zynaptiq, Stichwort „Orange Vocoder“, stammen übrigens ursprünglich aus dem Hause Prosoniq.
Und nach dieser kurzen Zeitreise gehts nun in den Test der dritten Version (v3.2) von Morph in gut 20 Jahren.
Features
- 9/11 Morphing-Algorithmen (Standard/Pro)
- Zweitsignal via Sidechain oder Modeler
- Modeler mit eigenen Samples und Presets
- 3 Style-Transfers, Loop- & Custom-Modus für den Modeler
- Transienten-Modul
- Formanten-Modul
- Mixer mit Highpass- & Lowpass-Filter
- Integrierter Reverb
- MIDI-Triggering
- Limiter
Zynaptiq Morph 3 Pro Test: Nutzeroberfläche & neue Funktionen
Die neue Oberfläche von Morph 3 ist modern gestaltet und in einem zurückhaltenden dunklen lila mit schwarzen Verläufen gehalten. Alle Parameter und Einstellungsmöglichkeiten sind hellblau und gut lesbar. Die Verbindungslinien zwischen den Modulen sind übrigens kein Accessoire, sondern stellen den Signalfluss dar. Schön gemacht!

Sidechaining war gestern
Zu den Highlights der neuen Version zählt der Modeler. Während man beim Vorgänger nur die Möglichkeit hatte, ein zweites Signal via Sidechain einzuspeisen, kann man das nun bequem intern regeln. Und hat dabei noch mehr kreative Möglichkeiten.
Der Modeler kommt ab Werk mit einer Auswahl an Samples, unter denen sich Sound-Effekte, Drones und Synthesizer finden. Zudem lassen sich eigene Audiodateien laden. Das spannende ist, dass die Sounds dem Morphing-Modul mit verschiedenen Modi/Style Transfers zugeführt werden können.
Zum einen gibt es den Loop-Modus, der eine Datei in einer Schleife synchron zur Timeline (nicht zum Tempo!) abspielt. Zum anderen gibt es mit RMS, Peak und Spectral drei Style Transfers, die sowohl das Eingangs- als auch das Modeler-Signal entsprechend analysieren. Darauf basierend triggert der Modeler Slices.
Die Range der Slices kann in den Modeler-Einstellungen angepasst werden. Außerdem gibt es hier unter anderem Parameter für Trigger-Threshold, Fade und die spektrale Range.
Morph 3 Pro bietet zudem einen Custom-Modus. Damit können unter anderem bis zu drei Zonen/Slices individuell gesetzt und einer Range der Eingangsanalyse zugewiesen werden. Zone A kann so beispielsweise auch auf das Ende des geladenen Samples reagieren.
Der Sidechain-Eingang steht übrigens nach wie vor als Alternative zur Verfügung.

Zynaptiq Morph 3 Pro Test: Doppelt so viele Algorithmen
Zynaptiq haben außerdem fleißig an neuen Algorithmen gearbeitet: Statt fünf stehen nun neun in der Standard- und elf in der Pro-Version zur Auswahl. Da das mein erster Test von Morph ist, führe ich hier kurz und knapp alle auf (ausgenommen Low-Latency-Versionen (LL):
- Classic: Spektrales Morphing.
- Tight: Spektrales Morphing mit Fokus auf dem Timing.
- Interweave: Low-Latency-Version von V2. Klarere Transienten, aber breitere Frequenzspitzen.
- Interweave V2: Spektrales Morphing mit harmonischen Verzerrungen.
- Interweave V3: Weniger harmonische Verzerrungen, aber detaillierter als V2.
- Imprint Smooth: Drückt einem Signal das Klangspektrum eines anderen unter Berücksichtigung von Transienten auf. Zero latency.
- Imprint Crystal: Wie Imprint Smooth, aber mit größerem Fokus auf Transienten.
- Enharmonic: Morphing auf Basis harmonischer Anteile mit der Möglichkeit, Anteile des Originalsignals durchsickern zu lassen.
- Fusion (Pro): Sehr klares und detailliertes spektrales Morphing
- Sonance (Pro): Viele breitbandige Filter für geschmeidige Verschmelzungen.
Weitere Funktionen
Das Morphing selbst geschieht über das große XY-Pad in der Mitte. Darüber wählt man auch den Algorithmus aus, der jeweils über zwei Drehregler kontrolliert werden kann. Deren Belegung hängt vom Algorithmus ab.
Zudem gibt es einen Transienten-Shaper. Morph 3 Pro bietet hier neben dem klassischen Punch-Modus noch den Detail-Modus. Dieser reagiert nicht nur auf Pegelspitzen, sondern bringt auch leisere, feinere Signalanteile zum Vorschein.
Das Transientenmodul kann wahlweise in den Formant-Shifter geschickt werden oder diesen umgehen.
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Zu guter Letzt bleibt noch der Mixer zu erwähnen. Hierüber können die vier Kanäle für Morph, Main In, Aux In und Modeler in der Lautstärke angepasst, gemutet und soliert werden. Die Pro-Version hat zusätzlich einen Lowpass- oder Highpass-Filter pro Kanal. Der Reverb aus Morph 2 ist übrigens auch wieder dabei.

Zynaptiq Morph 3 Pro Test: Praxis
Für den Test von Morph 3 Pro habe ich mir einfach mal ein paar verschiedene Loops geschnappt: Vocals, Drums, Bass, et cetera. Diese habe ich dann teilweise über die Sidechain eingebunden oder mit dem internen Modeler verschmolzen.
Das XY-Pad macht auf der X-Achse ein Lautstärke-Crossfading und auf der Y-Achse ein spektrales Morphing der beiden Signale. Beim Suchen der optimalen Position merkt man schnell, dass sich durch die Bewegung des Morph-Punkts interessante Verläufe ergeben können. Ich nenne das mal „dynamisches Morphing“. Automatisiert lassen sich damit beispielsweise dezente klangliche Veränderungen eines Loops oder spezifische Akzente setzen.
Die größte Auswirkung hat natürlich der ausgewählte Algorithmus. Zynaptiq haben hier hervorragende Arbeit geleistet, denn bewegt man die Maus über einen Algorithmus, kann man diesen live vorhören. Echt cool! Dadurch konnte ich schnell zwischen verschiedenen Algorithmen vergleichen, ohne jedes Mal wieder ins Menü zu müssen – das funktioniert übrigens auch für die Modi des Modelers, dazu komme ich gleich.
Via Sidechain habe ich einen Bass mit Akkorden und Vocals mit Drums gemorpht. Was dabei herausgekommen ist, kannst du nachfolgend hören:
Ziemlich geil, würde ich sagen! Die Akkorde springen mit dem Bass und fügen interessante Obertöne hinzu, was das Ganze in einen pluckigen EDM-Sound verwandelt. Die Drums mit den Vocals bräuchten zwar noch Nachbearbeitung, bilden aber eine gute Basis für etwas Lead-artiges.
So einfach können neue Sounds entstehen!

Einzigartiges Sounddesign
Mit dem Modeler bekommt man quasi einen Editor für spezifische Klangmanipulationen an die Hand. Mit den vorprogrammierten Modi und Style-Transfers lassen sich mit wenigen Klicks abgespacte Drums, Vocoder-ähnliche Vocals oder in Klanglandschaften ausufernde Bässe kreieren.
Gut, man muss schon ein bisschen herumklicken und verschiedene Sounds ausprobieren, aber mit der internen Sample-Library lassen sich schöne Dinge anstellen.
Im Allgemeinen finde ich es super, dass Zynaptiq gleich eine kleine Auswahl an Sounds mitliefern. Per drag&drop lässt sich auch lobenswerterweise mit eigenen Samples experimentieren. Das erwarte ich aber auch von einem kreativen Tool in dieser Preisklasse.
Ein paar meiner Modeler-Morphings kannst du nachfolgend hören:
Wer ganz experimentierfreudig ist, kann im Custom-Modus (Pro-Version) individuelle Zonen für die Slices festlegen. Das Plug-in setzt diese dann neu zusammen. Und ja, das ist so kryptisch wie es klingt. Ich habe einige Zeit gebraucht, um die Zonen für ein gut klingendes Ergebnis anzupassen. Es erschließt sich mir nicht ganz, wie Morph 3 Pro diesbezüglich arbeitet. Leider gibt’s auch im Manual keine genaueren Informationen dazu.
Nichtsdestotrotz kann man hier kreativ werden, wenn es die Zeit zulässt. Durch den Custom-Modus kann man beispielsweise auch beim Nutzen von Presets Individualität schaffen.
Apropos: Sowohl beim Wechseln der Haupt- als auch der Modeler-Presets kam es gelegentlich zu Abstürzen im Zynaptiq Morp 3 Pro Test. Auch mehrere Morph-3-Instanzen zwangen die DAW ab und an in die Knie.
Anmerkung: Die aktuelle Version 3.2.1 hat diese Probleme zum Großteil eingedämmt.
Passende Verhältnisse
Anhand der Transienten- und Formanten-Module verleiht man dem Sound eine tonale Korrektur oder mehr Durchschlagskraft. Im Zynaptiq Morph 3 Pro Test bin ich eigentlich nie über 100 Prozent Transient-Bypass gegangen, da mir die Attack sonst zu spitz und unangenehm wurde. Ein dezentes Hinzufahren zwischen 30 und 50 Prozent gefiel mir meistens am besten. Das ist aber Geschmackssache und abhängig vom Klangmaterial. Die Option, richtig Gas geben zu können, ist zumindest vorhanden.
Eine feine Sache ist auch der Mixer. Damit lassen sich im Nu die Verhältnisse der Signalquellen anpassen und grob filtern. Manchmal habe ich nämlich über das XY-Pad einen coolen Sound, aber nicht das richtige Lautstärkeverhältnis hinbekommen. Durch das Hinzufahren des Originalsounds ließ sich das dann schnell beheben.

Zynaptiq Morph 3 Pro Test: Fazit
Zynaptiq Morph 3 Pro ist ein rundum gelungenes Sounddesign-Tool. Ich hatte im Test viel Spaß beim Herumprobieren und war beeindruckt von der Qualität des Morphings. Die neuen Algorithmen und der Modeler legen bei den Manipulationsmöglichkeiten nochmal eine ordentliche Schippe drauf – der Erhalt der Sidechain ist ein weiterer Pluspunkt. Eine anständige Auswahl an Samples und Presets ist ebenfalls vorhanden. Und mit dem Mixer lassen sich die Signalanteile schnell und bequem anpassen.
Kurzum: Morph 3 Pro ist ein hervorragendes Sounddesign-Tool, an dem es nichts zu meckern gibt.
Verfügbar ab: sofort
Preis (UVP): (Standard) 179 Euro, (Pro) 309 Euro; Upgrades ab 79 Euro
Weitere Infos: Zynaptiq | Morph 3 @ Plugin Boutique*
Pros
- 6 neue Algorithmen – insgesamt 11
- Vorhören von Algorithmen und Modeler-Modi
- Sidechain & Modeler
- Drag&drop für Modeler-Dateien
- Transienten-Modul
- Mixer mit Highpass/Lowpass-Filter und Reverb
Cons
- Gelegentliche Abstürze bei Preset-Wechseln oder mehreren Instanzen (weniger seit dem Update)
Fotos: Hersteller, Audiowerk, eigene
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