Forever 89 Topos Test: Zwischen Vintage und Vision

Mit Topos veröffentlichen Forever 89 ein Saturation- und Amp-Simulationswerkzeug, mit dem Emulationen von Monitoren, Gitarrenpedalen, Bandmaschinen und anderen Studio-Tools erforscht werden können. Gleichermaßen lassen sich aber auch eigene Geräte modellieren. Obs das bringt, verrät dir der Test.
Vergangenes Jahr durfte ich für die Beat 12/2024 Visco von Forever 89 testen. Das Debüt-Plug-in der Berliner Software-Schmiede hat mich durch hohe Flexibilität, eine Modulationsmatrix und dem generell ungewöhnlichen, aber kreativen Konzept begeistert. Umso gespannter war ich, als ich von Topos erfuhr.
Topos ist gleichermaßen Simulator und Modeler. Einerseits kann auf einen großen Fundus an emulierten Geräten, etwa Bandmaschinen, Monitoren, Gitarrenpedalen, Telefonen/Handys und Röhrenvorverstärkern, zugegriffen werden.
Andererseits lassen sich mit Hilfe detaillierter Einstellungsmöglichkeiten und einem Filter auch eigene Simulationen basteln – oder gänzlich neue Modelle entwerfen. Es steht also alles im Zeichen von Saturation/Distortion und Raum (im Sinne eines Resonanzkörpers).
Was sich mit dieser ungewöhnlichen Kombination an Prozessoren anstellen lässt und ob sich das Plug-in gegenüber den unzähligen Konkurrenten beweisen kann, finden wir jetzt im Test heraus.

Forever 89 Topos Test: Überblick
Unser Testkandidat ist optisch in zwei Sektionen unterteilt:
Links finden sich vier Module für Filter, Amp, Speaker und Mix. Jedes Modul lässt sich individuell de/aktiveren und bietet grundlegende Einstellungsmöglichkeiten, beispielsweise für Dry/Wet, Drive sowie zum Setzen des Low- und Highpass-Filters.
Rechts ist ein Analyzer mit verschiedenen Modi für Wellenform, Spektrum, Input/Output und Mid/Side untergebracht. Darunter sind wiederum vier Tabs, welche die Detaileinstellungen der eben genannten Module beherbergen. Hier gibts viele Parameter, die man sonst kaum sieht, darunter Thru Mix (Filter), dynamisches Bias (Amp), Scatter (Speaker; Schallausbreitung innerhalb des Resonanzkörpers) und Flux (Mix; Modulation).
>>> Polyverse Filterverse Test: Ein Filter für alle Fälle <<<
Ändert man eine Einstellung, wechselt der Analyzer automatisch zu einer Info-Ansicht. Beim Amp erhält man beispielsweise Auskunft über Färbung sowie harmonische Verzerrungen; bei Speaker über Charakter, Transientenabbildung und Decay.

Alles auf eine Karte
Wie zu erwarten gibt es separate Presets für Amp und Speaker, wodurch die vorbereiteten Emulationen geladen sowie eigene Kreationen gespeichert werden können. Alternativ dazu kann man in die Map-Ansicht wechseln. Hier werden alle Emulationen im Stil einer Karte angezeigt und können auch während des Playbacks angesprungen werden. Im Gegensatz zum traditionellen Preset-Laden erlaubt diese Methode auch Kombinationen aus bis zu drei Geräten.
Für die globalen Presets gibt es keine Map.
Features
- Vier Module: Filter, Amp, Speaker & Mix
- Emulationen von Bandmaschinen, Gitarrenpedalen, Röhrenvorverstärkern, Instrumenten und weiteren (Studio-)Geräten
- Auswahl von Presets alternativ über Maps
- Dynamische Funktionen
- Flux-Effekt für Panning-/Modulationseffekte
- Analyzer
- Diagramm & Info-Panel pro Modul
- Latenzfrei
- Gratis-Version: Topos Play
- Für Windows und Mac-OS, VST 3 & AU
Forever 89 Topos Test: Praxis
Die allgemeine Handhabung des Plug-ins ist intuitiv. Tooltipps geben Auskunft über alle Funktionen, sodass man kaum einen Blick ins Handbuch werfen muss. Und wenn man sich daran gewöhnt hat, dass Dry/Wet von Amp und Speaker anhand von Zahlenwerten eingestellt werden, kommt man auch damit zurecht. Die Presets lassen sich auch bei laufendem Playback Artefakt-frei durchschalten. Dank der detaillierten Einstellungsmöglichkeiten rechts kann der Klang bei Bedarf schnell auf das Eingangssignal abgestimmt werden, ohne die Emulation zu groß zu Verändern.
Apropos: Wer auf eine Beurteilung der Authentizität der Emulationen gehofft hat, den muss ich an dieser Stelle enttäuschen.
Dafür müsste man die exakten Modelle wissen, A/B-Vergleiche mit der Hardware machen und viele weitere Parameter kennen. Nichtsdestotrotz passt der Sound zur Gerätebezeichnung und man hört bei stärkerer Färbung auch, dass es sich zum Beispiel um einen Gitarrenverstärker, Laptoplautsprecher oder ein Distortion-Pedal handelt.

Positiv hervorheben möchte ich an dieser Stelle auch die ungewöhnlicheren Resonanzkörper, beispielsweise Pianos, Talkboxen, Telefone und Walkman.
Die Map – Fluch und Segen zugleich
Ein sehr cooles Feature sind die Maps. Hierüber kann man schnell und einfach verschiedene Sounds durchprobieren. Auch, dass (vorgegebene) Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Geräte möglich sind, ist löblich.

Was mich allerdings ziemlich gestört hat, ist die fehlende freie Navigationsmöglichkeit auf der Karte. Diese verschiebt sich nur in Abhängigkeit zur Bewegung des „Suchers“ – also der Kreis, der die Klangauswahl darstellt. Man kann dementsprechend nicht einfach mal auf der Karte schauen, was es so gibt und dann gezielt einen Punkt anspringen. Gerade bei den Amps können beim Herumfahren ein paar fiese Verzerrungen aufploppen, wenn man an einem entsprechenden Gerät vorbeikommt.
An sich halte ich die Map aber für eine gute Funktion, die durch ein paar Verbesserungen ein Signature-Feature von Forever 89 werden könnte. Eine davon wäre eine interne Automationsmöglichkeit wie bei Visco, anhand derer verschiedene Emulationen angesprungen werden können.

Modeling/Sounddesign im Forever 89 Topos Test
Am spannendsten finde ich bei Topos die Möglichkeit, eigene virtuelle Effektgeräte und Monitore zu entwerfen. Insbesondere durch die Kombination der drei Distortion-Typen Hard Clip, Fold und Rectify lassen sich vielseitige Charaktere erstellen. Bei den Speakern trifft das auf Scale (Abmessungen des Resonanzkörpers), Scatter (Klangausbreitung im Resonanzkörper) und Leak (Schallaustritt aus dem Resonanzkörper – „Bleed“) zu, die jeweils auf drei Achsen eingestellt werden können. Vor allem bei den Speakern kann man nicht nur selbst kreativ werden, sondern auch einiges über Lautsprecher lernen.
>>> Sounddesign mit Delays: So baust du kreative Effekte <<<
Wie zu erwarten, lassen sich von subtilen Klangfärbungen bis hin zu kompletten tonalen Transformationen sämtliche Fantasien umsetzen.
Das Experimentieren macht schon fast zu viel Spaß. Man muss aufpassen, sich nicht komplett darin zu verlieren. Wobei, warum eigentlich nicht…? ;P
Die Mischung machts
Über „Mix“ kann man das Stereofeld (Links/Rechts oder Mitte/Seite) durch den Einsatz von Flux ausreizen. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das Flux Scale von Amp und Speaker auf Dry/Wet oder auf Drive und Size auswirkt. Jedenfalls erzeugt man dadurch LFO-gesteuerte Panning- beziehungsweise Modulationseffekte, die Effektanteile von hin und her bewegen.
Hier kann man natürlich, wie in den anderen Modulen, auch extreme Einstellungen fahren und Topos als Parallel-Prozessor anhand des globalen Dry/Wet-Reglers nutzen. Im Test hat sich das vor allem für Verzerrungen bewährt.

Während des Modeling-Prozesses kann und sollte man immer wieder einen Blick auf den Analyzer werfen. Theoretisch hilft dieser insbesondere beim Prüfen der Phasenkorrelation.
Praktisch sieht er cool und trippy aus, war für mich aber nicht gut zu lesen. Irgendwie ists die Kombination der Farben für die Darstellung der Kanäle und der recht langen Release, was das Ganze mehr zu einem verschwommenen Zappeln als einem hilfreichen Tool macht.
Forever 89 Topos Test: Fazit
Mit Topos haben ein Forever 89 ein einzigartiges Plug-in erschaffen, das ich so noch nirgendwo anders gesehen habe. Im Gegensatz zu den typischen Distortion- oder Speaker-Simulations-Tools bekommt man hier einen detaillierten Werkzeugkasten für das Bauen eigener Verzerrer und Monitore. Bastler werden damit sicherlich viel Spaß haben – ich hatte es im Test auf jeden Fall. Aber auch die mitgelieferten Emulationen klingen gut und bieten bereits ein breites Spektrum an Klangcharakteren und -farben.
Features wie Flux und die Maps runden das Plug-in ab, wenngleich sich letzteres weder automatisieren und noch frei (ohne Presets anspringen zu müssen) navigieren lässt.
Wer neugierig geworden ist und sich selbst einen Eindruck verschaffen möchte, dem kann ich die kostenlose Version, Topos Play, ans Herz legen.
Verfügbar ab: sofort
Preis (UVP): (Topos Play) gratis, (Topos) 79 Euro Einführungspreis; regulär 99 Euro
Weitere Infos: Forever 89
Pros
- Viele Emulationen diverser (Studio-)Geräte, die in breites klangliches Spektrum abdecken
- Designen eigener Distortion-Effekte und Monitore
- Visualisierung und Navigation alternativ in Maps, die Kombinationen der Emulationen/Presets erlauben
- Flux-Effekt
- Diagramm & Info-Panel für jedes Modul
Cons
- Visualisierungen/Analyzer schwer zu lesen (keine einstellbare Release)
- Maps können nicht navigiert werden, ohne dabei den Klang zu verändern
Fotos: Hersteller, Screenshots