Baby Audio Atoms Test: Komplex wie einfach

Mit Atoms präsentieren Baby Audio einen komplexen Physical-Modeling-Synthesizer, der sich über wenige ausgeklügelte Parameter steuern lässt. Wie gut dieses Konzept funktioniert und welche Klänge sich der einzigartigen Engine entlocken lassen, zeigt dir der Test.
Nach der Emulation eines Yamaha CS-01 Synthesizers, die als BA-1 veröffentlicht wurde, präsentieren Baby Audio nun ihren ersten hauseigenen Klangerzeuger. Der auf Physical Modeling basierende Atoms deutet bereits mit seinem Produktname auf das Prinzip der Sound-Engine hin. Das werde ich später noch genauer erläutern.
Atoms wird „als neue Art von Synthesizer“ angepriesen, die „organisch, aber gleichzeitig außerirdisch (otherworldly)“ ist. Das virtuelle Instrument soll vor allem gespenstische und spacige Sounds erzeugen und sich nicht zuletzt für Sounddesign eignen. Ob sich das Ganze als zuverlässige Klangquelle oder instabiles Experiment entpuppt, finden wir jetzt heraus.

Im Kontrollzentrum
Die wahlweise helle oder dunkle Nutzeroberfläche hat in der Mitte einen Visualizer für die Physical Models, der von den sechs Hauptparametern Chaos, Order, Force, Overtones, Drive und Filter umgeben ist. Jede Funktion kann individuell innerhalb des Plug-ins automatisiert werden, auch dazu später mehr.
Am unteren Fensterrand befinden sich weitere Einstellungsmöglichkeiten für:
- Root: Transponiert die Root-Note um bis zu +/- 2 Oktaven
- Profile: Vier verschiedene Klangprofile: Standard, Alternative, Inharmonic, Lo-fi
- Attack
- Release
- Movement: Velocity
- Modulation
- Vibrato
- Space: Dry/Wet und Größe
- Output
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Am oberen Rand finden sich die üblichen Funktionen wie das Preset-Menü, MPE, Polyphonie (bis zu acht Stimmen), Eco-Modus, Undo und der Randomizer. Letzteren sehen wir uns gleich gemeinsam mit den Automationen an.
Die Schnellstart-Tour kann über das Fragezeichensymbol jederzeit wiederholt und die Tooltipps über das i-Symbol ein/ausgeblendet werden.
Automation und Zufallsgenerator
Die Automations- und Randomize-Funktionen kennt man von Transit. Allerdings können für Automationen nicht nur ein Mindest- und Höchstwert, sondern auch Kurve und Rate eingestellt werden. Zur Auswahl stehen Sinus, Sägezahn und Drift. Als Trigger können Free, Hold und Retrigger eingestellt werden. Das Ganze lässt sich auch zur Host-BPM synchronisieren, invertieren und per drag&drop auf einen anderen Parameter übertragen.
Die Automation steht nur den sechs Hauptfunktionen zur Verfügung.
Der Zufallsgenerator erzeugt aufeinander abgestimmte Ergebnisse. Möchte man Einstellungen bestimmter Parameter behalten, lassen sich diese Sperren und werden nicht vom Randomizer verändert.
Features
- Physical Modeling basierend auf Masse-Feder-Systemen
- Düsterer, gespenstischer Klangcharakter
- 4 Klangprofile
- Interne Automation der Hauptparameter
- Ressourcen-schonender Eco-Modus
- Kleverer Randomizer
- MPE-fähig
- Schnellstart-Anleitung und Tooltipps

Baby Audio Atoms Test: Klangerzeugung
Es gibt verschiedene Arten von Physical Modeling. Bei Atoms kommen sogenannte Masse-Feder-Systeme/Netzwerke zum Einsatz. Im Prinzip mimikt der Synth ein Atom mit seinen Molekülen, die in diesem Fall als Massen bezeichnet werden. Die Massen sind durch Federn miteinander verbunden, die durch einen Bogen in Schwingung versetzt werden.
Jede einzelne Komponente wirkt sich auf den Klang aus, je nachdem, in welche Richtung beziehungsweise Dimension sich die Glieder bewegen. Außerdem beeinflusst ihre Anzahl die Bandbreite. Die Profile Inharmonic und Lo-fi bedienen sich 50 beziehungsweise 25 Massen. Standard und Alternative jeweils 100. Alternative variiert jedoch die Festigkeit von Massen oder Federn.
In einem Deep-Dive-Video gibt Entwickler Silvin Willemsen einen tieferen Einblick in die einzigartige Klangerzeugung:
Presets
Baby Audio haben ordentlich am Preset-Manager gefeilt – Ein Punkt, der bisher zu kurz gekommen ist. Schluss mit dem Durchscrollen nicht enden wollender Listen. Der neue ist schick, übersichtlich und erlaubt sogar Farbmarkierungen. Presets mit MPE-Unterstützung haben einen entsprechenden Verweis. Kategorien zum Filtern gibt es nicht mehr, die Presets sind ordentlich beschriftet, zum Beispiel mit „Pad – Crystal Down“, sodass sich Instrumente einfach über die Suchleiste finden lassen. Jawohl, die Suchleiste! Eine Funktion, die ich mir schon lange gewünscht habe!
Der Preset-Manager ist zudem für das Teilen von Preset-Packs ausgelegt. Factory und Radioactive Packs mit insgesamt 250 Presets sind im Lieferumfang enthalten. Weitere können importiert und exportiert werden. Zudem führt ein Link auf die entsprechende Seite von Baby Audio, die mehr Expansions im Laufe des Jahres verspricht.
Auch eigene Packs lassen sich erstellen und mit Name und Coverfoto versehen.

Baby Audio Atoms Test: Praxis
Für einen ersten Eindruck habe ich wie üblich einige Presets durchgehört. Die Sounds sind in Anbetracht der limitierten Einstellungsmöglichkeiten überraschend vielseitig. Der eingangs erwähnte düstere und gespenstische Charakter ist stets präsent und äußerst sich unter anderem in schrillen Leads, knarzenden Bässen und ausladenden Pads.
Die Stärken von Atoms kamen im Test schnell im cineastischen Bereich zum Vorschein. Für Game-, Film- und Trailerproduktionen oder düstere, epische Kompositionen kann ich mir die Klänge gut vorstellen.
Sounddesign & Klangbeispiele
Dank der simplen Nutzeroberfläche, der Schnellstart-Anleitung und den Tooltipps fand ich mich schnell zurecht. Eigene Sounds mit Atoms zu kreieren, stellte sich im Test aber dennoch als knifflig heraus. Wenn man etwas experimentiert, wird schnell klar, wie sich die Parameter auswirken. Nichtsdestotrotz war das Resultat oft ein anderes als angedacht.

Die Klangkreation steht und fällt mit den Automationen. Diesbezüglich hat mir „Drift“ sehr gut gefallen. Damit lassen sich dezente Veränderungen vornehmen, die zufällig sind und dem Klang Leben einhauchen. Durch die große Abhängigkeit von Automationen kann der Synthesizer vor allem bei langen, flächigen Sounds seine Stärken ausspielen.
Ich habe mich an verschiedener Klänge wie Bässen, Pads/Ambients und Keys ausprobiert. Nicht alle Versuche sind geglückt, einige davon aber zu coolen Sounds herangewachsen. So komisch es klingen mag, aber der Raumton hat mich am meisten begeistert. Hier ein paar meiner Klangexperimente:
Für ein gezieltes Sounddesign fehlte es dem Plug-in aber dann doch an Einstellungsmöglichkeiten. Dafür ist es einfach zu rudimentär. Vorbildlich hat das Tracktion bei Kult gemacht, der sich klanglich in einem ähnlichen Bereich wie Atoms befindet, aber eine Vielfalt an Einstellungsmöglichkeiten an die Hand gibt.
Ansonsten kann man sich auch mit dem Randomizer und dem Sperren von Funktionen ganz gut vortasten. Die Ergebnisse waren oft stimmig und dienten mir das ein oder andere Mal auch als Ausgangspunkt.

Baby Audio Atoms Test: Fazit
Atoms ist nicht der alltägliche go-to-Synthesizer, den man mal eben für einen Bass oder einen Lead-Sound anwirft. Und das ist auch völlig in Ordnung. Ich finde es super, dass Baby Audio mit Physical Modeling experimentiert haben. Der einzigartige Klangcharakter macht Atoms zu etwas besonderem, vielleicht auch nieschigem. Er richtet sich an Nutzer, die für Videospiele, Filme und düstere Genres/epische Musik komponieren und designen.
Als Instrument oder, ohne es abwertend zu meinen, Preset-Player, macht der Synth einen guten Job. Selbst Sounds zu kreieren kann knifflig sein und hängt maßgeblich vom richtigen Einsatz der Automationen ab. Für ein wirklich tiefgehendes Sounddesign fehlt es Atoms aber an Einstellungsmöglichkeiten.
Wer in den oben genannten Bereichen tätig ist, wird mit dem Synth sicherlich Spaß haben. Mit der kostenlosen Demo kannst Du dir auch erstmal einen Eindruck verschaffen und selbst entscheiden, ob dir der Klangcharakter gefällt.
Verfügbar ab: sofort
Preis (UVP): 99 USD
Weitere Infos: Baby Audio | Atoms @ Plugin Boutique*
Pros
- Einfache Handhabung
- Einzigartiger Klangcharakter
- 4 Klangprofile
- Physical Modeling
- Neuer Preset-Manager
Cons
- Sounddesign aufgrund weniger Einstellungsmöglichkeiten nur bedingt möglich
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Fotos: Hersteller, Screenshots
5 Gedanken zu “Baby Audio Atoms Test: Komplex wie einfach”